Die Gitarre im Gypsyjazz

    Die Gitarre im Gypsyjazz

    Die Gitarre im Gypsyjazz – um ein wenig mehr Klarheit in das manchmal etwas diffuse öffentliche Image des Jazz-Manouche, Gypsy-Jazz (oder wie immer man die Jazz-Musik die von Sintis gespielt wird bezeichnen will) zu bringen, veröffentlichen wir hier einige Auszüge aus einer interessanten Diplomarbeit von Ernst Wilhelm Holl aus dem Jahr 1999.

    Diese Diplomarbeit beleuchtet die Entwicklung des Jazzmanouche, die Rolle Django Reinhardt´s und der Gitarre sowie die damit zusammenhängenden geschichtlichen Entwicklungen in dieser Musik.

    Nicht alle Dinge die darin geschrieben stehen würde ich so unterschreiben wollen, aber in dieser doch recht umfangreichen und grösstenteils relativ gut recherchierten Diplomarbeit hat Ernst Wilhelm Holl einige wichtige und zutreffende Dinge zum Thema Jazzmanouche zusammen getragen die es wert sind einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.

    Insbesondere allerdings die permanente Verwendung der Worte „Zigeuner“ und „Zigeuner-Jazz“ stösst dabei auf meine Ablehnung. Das entspräche in etwa dem wenn man bei der Jazzmusik farbiger Saxophonisten von „Neger-Jazz“ sprechen würde.
    Hier wurde meiner Meinung nach leider etwas zu unsensibel mit der Wortwahl umgegangen. Ansonsten sind jedoch wie gesagt einige interessante Aspekte dieser Musik hier heraus gearbeitet worden, weshalb wir diesen Text hier (mit Genehmigung des Autors) in Teilen veröffentlichen.
    Es sei darauf hingewiesen, daß alle im Text vorkommenden Zitate original samt orthographischer und grammatikalischer Fehler übernommen wurden.

    Doch nun zum eigentlichen Thema des Artikels, dem Gypsy-Jazz und den Auszügen der Diplomarbeit.

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    […]
    „Zigeuner-Jazz": der Begriff kam in den 1960er Jahren als Bezeichnung für eine Variante des Swing auf, die v.a. von deutschen Zigeunern gespielt wird. Der Zigeuner-Jazz lehnt sich eng an die Musik des großen französischen Zigeunergitarristen Django Reinhardt (*1910, +1953) an.“

    Dieses Zitat stellt eine der wenigen in der Literatur vertretenen Definitionen des Begriffes ‘Zigeuner-Jazz’ (oder ‘Gypsy Swing’, ‘Gypsy Jazz’, Sinti-Jazz’, ‘Sinti-Swing’, ‘Jazz Manouche’) dar. Diese kurze Text läßt jedoch viele Fragen offen. Jordan Weiss jamming with Nello and Fapy LafertinIn wie weit kann man diese Stilistik hauptsächlich den deutschen Zigeunern zuordnen? Was ist mit ‘lehnt sich eng’ gemeint? Kann man Zigeuner-Jazz als eine Variante des Swing sehen?

    Dies ist nur eine kleine Auswahl von möglichen Fragen die der Text offenläßt. Es sind jedoch dadurch schon genug Gründe gegeben, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

    Mit dieser Arbeit soll versucht werden eine komplexe Darstellung des Idioms ‘Zigeuner-Jazz’ zu geben. Anhand von der geschichtlichen Entwicklung seit Django Reinhardt bis heute und einer gitarrenorientierten stilistischen Analyse sollen bestimmte Merkmale angeführt werden, die den sogenannten Zigeuner-Jazz definieren.

    Ebenso soll auch die Stellung der Person Django Reinhardts in dieser Stilistik untersucht werden, sowie die Entwicklung innerhalb der Zigeuner-Musik-Szene, die von ihm ausging. Es wird versucht abschließend eine genauere Definition dieser Stilistik zu geben. Die Frage nach der Stellung Django Reinhardts in der Jazz-Geschichte soll hier nicht diskutiert werden, jedoch auf verschiedene Verdienste seiner Arbeit hingewiesen werden.

    Diese Arbeit soll sich hauptsächlich mit dem heute als Zigeuner-Jazz definierten Komplex auseinandersetzen, um einen genaueren Einblick in diesen musikwissenschaftlich wenig analysierten Musik-Bereich zu geben. Es sei darauf hingewiesen, daß alle im Text vorkommenden Zitate original samt orthographischer und grammatikalischer Fehler übernommen wurden.[…]

    […]
    „Die Musik der Sinti, Manouches, Gitans und Roma Mittel- und Westeuropas“ zu Beginn des 20.Jahrhunderts setzte sich „aus ihrer Zigeunerfolklore“, bestehend aus „Liedern in Romani bzw. Romanes ihrer eigenen Sprache und (vorwiegend) instrumentaler Tanzmusik osteuropäischer Herkunft“, zusammen.
    „Bei den Liedern der Sinti handelt es sich um Spott, Trink- und Liebeslieder, Kinderreime, vereinzelt auch Todesklagen. Die Zigeunermusik osteuropäischer Herkunft besteht aus Liedern und der instrumentalen Fest- und Tanzmusik der auf dem Balkan, der Ukraine und in Rußland lebenden Roma.“ Ihre Hauptform ist der Csárdás. Daneben ist das Repertoire aus verschiedenen Quellen entlehnt: aus der Romantik, erfolgreiche Schlager- und Operettenmelodien (z.B. Strauß oder Léhar) und aus volkstümlicher Tanzmusik des 19.Jahrhunderts (Walzer, Polkas).

    02 Bertino and Jordan Weiss„Neben dem Aspekt, daß diese adaptierten Kompositionen wegen ihrer melodisch-sentimentalen Qualitäten einem musikästhetischen Ideal“ der eigenen „Musiktradition entsprachen und damit auch die Zigeunermusiker eine besondere Anziehungskraft ausübten, trafen sie beim ‘Ständeln’, dem Spielen in den Gasthäusern für die dort verweilenden Gadsche (Romanes-Bezeichnung für Nichtzigeuner (Gadje) aufgrund ihrer Popularität und des Wiedererkennungseffektes besonders sicher den Nerv der Zuhörer und deren Zahlungsbereitschaft, denn das ‘Ständeln’, war die eigentliche Erwerbstätigkeit der Zigeunermusiker, ihre Haupteinnahmequelle.
    Die französischen Manouches taten dergleichen auch mit der Adaption erfolgreicher Musette- und Chansontitel, ...“3

    Ähnliches gilt auch für die aus Spanien und Südfrankreich nach Paris kommenden Gitanos, die aber durch einen größeren Bezug zum Flamenco, als ihre musikalische Wurzel, bestimmt waren, aber auch die Einflüsse der Musik ihrer neuen Heimat aufnahmen. Der Vortrag der Stücke der Zigeunermusiker war stets charakterisiertdurch eine sehr gefühlsbetonte Interpretation mit einer Neigung zu virtuoser Verzierung oder dem Wechsel zwischen Rubato-Vortrag, sowie lang ausgehaltenen Tönen und schnellen schwungvollen Passagen. Zusätzlich waren die Zigeunermusiker wegen ihres exzellenten Plektrumgitarrenspieles  als Begleitgruppen, aber auch in solistischer Funktion, aufgrund der schon erwähnten Interpretationskunst (stark verzierte, sowie variierte, Themenvorträge können schon als Vorstufe improvisatorischer Strukturen gedeutet werden), in der Pariser Chanson- und Musetteszene gefragt.[…]

    […]
    Die popularmusikalische Hauptströmung im Paris der 20er Jahre bildeten die Bals Musettes, die man als Musik der Straße und der Tanzsäle deuten kann. Die Basis dieser Musik bildeten die berühmten Valse-Musette (Musette-Walzer), die im Repertoire durch Tangos, Paso-Dobles, Polkas, Foxtrotts, Javas, Charlestons und später auch durch Swingadaptionen ergänzt wurden. Das Akkordeon gilt als das Hauptinstrument dieser Musik, das mit Begleitgruppen ergänzt wurde, in denen die Gitarre eine große Rolle spielte.
    bals_musettes
    Zu den berühmtesten Gitarristen dieser Zeit gehörten neben Auguste Malha, genannt Gousti, die Brüder Ferret: Étienne Ferret (1912-1970), genannt ‘Sarane’, Jean Ferret (1918-1989), genannt ‘Matelot’ und Pierre Ferret (1908-1976), genannt ‘Baro’. Zu Beginn der 30er Jahre erspielten sie sich, zunächst als virtuose Banjo- oder Bandurria-, später als Gitarren-Spieler, einen Namen in der Pariser Musikszene und wurden so bald als Begleitmusiker zu Schallplattenaufnahmen mit verschiedenen Akkordeonisten herangezogen.

    Die berühmtesten der Brüder waren Sarane Ferret, der sich später auf die Musik des QdHCDF spezialisierte, und Matelot Ferret, der hauptsächlich die Tradition der Bals musettes vertrat. Matelot Ferret tritt auf vielen Schallplattenaufnahmen namhafter Akkordeonisten wie Gus Viseur, Tony Mureno oder Jo Privat in Erscheinung.
    Zusätzlich arbeitete er als Begleiter renommierter Chanson- und Schlagerinterpreten wie Jean Tranchant, Charles Trenet und Edith Piaf.
    Auch Django Reinhardt begann seine Karriere in den Bals musette als Begleit-Banjoist des Akkordeonisten Guérino (damals unter dem Namen ‘Jungo Renard’). Später wechselte er in verschiedene Bals-Musette-Formationen und machte zwischen Juli und Oktober 1924 seine ersten Plattenaufnahmen mit dem Akkordeonisten Jean Vaissade.[…]

    […]
    Nachdem die amerikanische Schallplattenindustrie 1932 ihren ersten großen Tiefstand erreichte (bis 1933 mußten die meisten Firmen bis auf die Victor, die Decca und die Columbia schließen), wurde mit Europa ein neuer Markt entdeckt. dixieland_jazzband
    Wichtige Jazzplatten wurden alsbald direkt für den europäischen, insbesondere den englischen Plattenmarkt produziert.
    Auch aufgrund der Rassenprobleme zog es viele amerikanische Jazzmusiker in das nicht so rassenfeindlich eingestellte Europa, wo sie von einem beifallsfreudigen Publikum empfangen wurden. „Für die europäischen Intellektuellen hatte der Jazz den Zauber einer exotischen, primitiven und darum erfrischend ursprünglichen Kunst.“

    Auch Duke Ellington gastierte 1933 in Europa, wie auch im Jahr zuvor Louis Armstrong. Andere Künstler, wie Coleman Hawkins, folgten ebenso diesem Beispiel. „Das große europäische Publikum hatte die amerikanischen Jazzgruppen und allgemein die farbigen Orchester stets gefeiert, angefangen mit den Hell Fighters, der von Jim Europe dirigierten Militärkapelle, die 1918 in verschiedenen französischen Städten Konzerte gab und Begeisterung und Erregung hervorrief, bis zu den Orchestern von Will Marion Cook, Noble Sissle und Sam Wooding, abgesehen von gewissen weißen Gruppen wie der Original Dixieland Jazz Band und den Mound City Blue Blowers.

    Begeistert hatte das Puplikum dann den Revuen Farbiger aus Amerika Beifall gespendet, wie der ‘Revue Nègre’ mit Josephine Baker, dem Claude Hopkins-Orchester und Sidney Bechet, die im Jahre 1925 im Théâtre des Champs Élysée debütierte, ...“

    Mit dem Jazz, der sich auch über Schallplatten und den Rundfunk in Europa verbreitete, erschien auch die Musik des Gitarristen Enter Salvatore Massaro, genannt Eddie Lang (1892-1933), der ab 1926 im Duo mit dem Violinisten und Schulfreund Joe Venuti viele Aufnahmen machte und als erster die Gitarre als solistisches Instrument im Jazz etablierte.
    In diesen Duetten spielten sie Anfangs Mazurkas (3/4-Takt) und Polkas (2/4-Takt), die sie dann aus Spaß als 4/4-Takt-Stücke vortrugen. Es zeigten sich dabei schon die ersten Improvisationen: Joe Venuti begann mit einer Improvisationslinie und Eddie Lang spielte Variationen darüber.
    In seiner Karriere spielte Lang mit unzähligen Orchestern wie z.B. dem von Bix Beiderbecke, Paul Whiteman mit Bing Crosby, sowie auch auf unzähligen Studiosessions für verschiedene Sänger (z.B. Al Jolson) und für Bluessänger (z.B. Bessie Smith). Interessant sind die Aufnahmen in verschiedenen Gitarren-Duo-Konstellationen, wie mit Carl Kress und Dick McDonough, der in der damaligen Zeit mehr als jeder andere für die Entwicklung von Gitarren-Duo-Formationen tat.[…]

    […]
    Der am 23. Januar 1910 in Liverchies geborene Zigeuner Jean-Baptiste ‘Django’ Reinhardt verbrachte seine früheste Kindheit auf Wanderschaft. Mit seiner Mutter Laurence, genannt ‘Négros’, und seinem Bruder Joseph, genannt ‘Nin-Nin’ zog er durch Frankreich, Italien und Algerien, bis sich seine Familie 1918 im Wohnwagen am Stadtrand von Paris niederließ. Mit zwölf Jahren bekam er ein django reinhardt 12yearsGitarren-Banjo von einem Nachbarn geschenkt und begann sehr schnell, seine Fähigkeiten auf dem Instrument zu entfalten. Er spielte nun oft mit dem buckligen Gitarrenspieler Lagadière bis in den frühen Morgen in den Cafés. Ein Jahr später trat er gemeinsam mit dem Akkordeonisten Guérino in den Tanzsälen von Paris auf. Zwischen Juli und Oktober 1924 kam es zu den ersten Plattenaufnahmen unter dem Namen ‘Jiango Renard’ zusammen mit Jean Vissade (Akkordeon) für das Ideal-Etikett.
    Neben seiner Tätigkeit als Musiker nahm Django Reinhardt regelmäßig an ‘after-hours-sessions’ teil und spielte mit Vorliebe amerikanische Titel.

    Mit der Zeit wechselt er zur Gitarre, bis es am 2. November 1928 zu einem folgenschweren Unfall kommt: Er überlebt einen Brand in seinem Wohnwagen, erleidet jedoch schwerste Verbrennungen am ganzen Körper und insbesondere an der linken Hand. Nach achtzehn Monaten Rekonvaleszenz ist er wieder hinreichend genesen, jedoch bleibt eine Behinderung seiner Hand zurück: Die Sehnen seines kleinen und seines Ringfingers bleiben verkürzt und fast völlig gelähmt (siehe auch Django - the Guitar-Maestro).

    Trotz dieser Behinderung entwickelte Django Reinhardt eine Gitarrentechnik, die es ihm ermöglichte, nahezu ohne die verletzten Finger auszukommen. Zu dieser Zeit, 1929, wurde sein erster Sohn Henri Baumgartner geboren. Zu Beginn der 30er Jahre lebt Django Reinhardt als Straßenmusiker, da er kein Interesse mehr an den bals musette hat, sondern sich eher am Jazz orientiert.
    Aus diesem Grund wird er auch von dem ebenso jazzbegeisterten Pianist Stephen Mougin engagiert. Viel auf Reisen durch Südfrankreich tritt 1931 in Toulon Émile Savitry in sein Leben, der ihn mit der Musik Duke Ellingtons, Louis Armstrongs und
    Eddie Langs/Joe Venutis bekannt macht und sein Förderer wird.
    Neben der Beeinflussung durch Savitry beginnt Django Reinhardt seine ersten Schritte als Jazzmusiker mit dem Kontrabassisten Louis Vola, der schon in Toulon und Cannes sein Orchesterchef war, und mit dessen Formation er im Dezember 1932 in Paris debütiert.
    In den folgenden Jahren spielt er viel mit Musikern der Pariser Musikszene (z.B. Jean Sablon, André Ekyan, oder Stéphane Grapelli) und findet viele Bewunderer. Savitry organisiert für seinen Schützling 1934 ein Konzert in dem Ende 1922 gegründeten Hot Club de France, das Django zu seinem Durchbruch verhilft:
    „Man kann sagen, daß er die große Entdeckung des Konzerts war. Er ist ein sehr merkwürdiger Musiker, dessen Stil dem keines anderen bekannten Musikers ähnelt ... Wir haben jetzt in Paris einen großen Improvisator ... Darüber hinaus ist Reinhardt
    ein faszinierender Junge, der die gleiche Phantasie in sein Leben zu legen scheint, die seine Soli belebt ...“

    Bei einem Zusammentreffen mit Stéphane Grapelli entstand die Idee eines reinen Saitenquintetts, das alsbald im Dezember 1934 in der Besetzung Django Reinhardt (Solo-Gitarre), Stéphane Grapelli (Violine), Roger Chaput (Rhythmusgitarre), Joseph Reinhardt (Rhythmusgitarre) und zunächst Emmanuel Soudieux, später dann Louis Vola (Kontrabaß) als Quintett du Hot Club de France in der École Normale de Musique in Paris debütierte.
    HCDF 1938
    Die ersten Jahre des Quintetts verliefen sehr aufregend. Neben den ab 1935 beginnenden regelmäßigen Schallplatten-Aufnahmen wurde Django Reinhardt von einem immer größer werdenden begeisterten Publikum entdeckt. Zusätzlich bot sich ihm die Möglichkeit, viele amerikanische Jazzgrößen kennenzulernen.
    So spielte er in Jam-Sessions in Paris mit Louis Armstrong, Eddie South, sowie Coleman Hawkins und Benny Carter, mit denen er auch 1937 zu Plattenaufnahmen machte. 1939 kam es sogar zu einer kurzen Begegnung mit Duke Ellington. Ab 1936 begannen Auslandstourneen des QdHCDF, die sie nach Spanien, Holland, Belgien, Skandinavien und vor allem England führten. Aufgrund des Kriegsausbruches 1939 kam es zur Trennung, da Stéphane Grapelli in England bis 1947 zurückblieb, während die restlichen Musiker nach Paris zurück kehrten.

    In den Kriegsjahren fand Django Reinhardt in dem Klarinettisten Hubert Roasting einen neuen musikalischen Weggefährten und feierte mit dem neuen QdHCDF auf Tourneen durch die französische Provinz große Erfolge. Zusätzlich war er unter den in Paris zur Verfügung stehenden Musikern die Nummer Eins. Andere wichtige Ereignisse dieser Jahre waren „die Komposition einer anspruchsvollen Sinfonie mit dem Titel ‘Manoir de mes Rêves’, zu der Jean Cocteau, ein glühender Bewunderer Djangos, einen poetischen Text geschrieben hatte. Doch wurde dieses Werk, das Django und seine Mitarbeiter einige schlaflose Nächte gekostet hatte, nie aufgeführt, weil es als schwer zu spielen und harmonisch zu kühn angesehen wurde, und ging schließlich verloren.“
    Daneben stand auch die Hochzeit mit seiner Gefährtin Naguine und wenig später folgte 1944 die Geburt seines zweiten Sohnes Babik. (siehe Django - private Life).

    Ein weiteres Ereignis bildete die Eröffnung des Nachtlokals ‘La Roulotte’ auf der Rue Pigalle, das später in ‘Chez Django Reinhardt’ umgetauft wurde und dessen Besitzer er war. Nach der Befreiung von Paris am 24./25. August 1944 tritt Django mit Fred Astaire auf und spielt mit verschiedenen Solisten des Glenn Miller Orchesters (Glenn Miller war zu dieser Zeit schon verstorben). „In diese Monate fiel auch die Aufführung einer Messe von Django in der Kapelle der Institution des Jeunes Aveugles. Er hatte begonnen, sie für seine Zigeuner zu komponieren, damit sie damit ihre traditionellen Wallfahrten nach Les Saintes-Mairies-de-la-Mer feiern konnten, doch wurde diese Messe nie zu Ende komponiert.“

    Im November 1946 bekam Django Reinhardt ein Engagement bei dem Duke Ellington Orchester für eine USA-Tournee, die zu einer herben Enttäuschung für den Gitarristen wurde, da er zum ersten Mal eine elektrische Gitarre benutzen mußte und nicht auf dem Instrument zurecht kam. Das Ergebnis war, daß er bei den Kritikern durchfiel.
    Doch in Amerika hörte er auch die neue Strömung des ‘BeBop’. Trotz der negativen Erlebnisse in den USA spielt Reinhardt, zurückgekehrt nach Frankreich, seine Maccaferri-Gitarre nunmehr elektrisch verstärkt. In den folgenden Jahren zieht er sich immer mehr von der Musik zurück und verlegt sich auf die Malerei (siehe auch Django - the Painter).

    Trotzdem finden immer wieder Tourneen durch Europa statt, und es folgen auch verschiedene Aufnahmen mit dem Quintett und auch mit Stéphane Grapelli. Django Reinhardt versucht sich nunmehr, nachdem er sich seit 1947-49 mehr und mehr aus der Jazz-Szene zurückgezogen hatte, mit der neuen Stilistik des Bebop zu beschäftigen. So kommt es im Februar 1951 zu einem Auftritt im Pariser Club Saint-Germain mit der neuen Generation französischer bebopinspirierter Musiker wie den Brüdern Hubert und Raymond Fol, Maurice Vander, Pierre Michelot, Bernard Hulin und Roger Guérin.
    Fünf Monate blieb Django Reinhardt in diesem Club und nahm auch verschiedene Titel auf. Durch die Gebrüder Fol lernte er auch die Musik Charlie Parkers und Dizzy Gillespies kennen. Über die letzten Aufnahmen Django Reinhardts im März 1953 für Blue Star führt Pierre Michelot aus: „Ich war total überrascht, daß er seine alten Themen spielte, wie zum Beispiel ‘Nuages’. Sicherlich hatten ihn die Produzenten dazu gebracht. Jedoch spielte er diese Themen völlig anders als in den früheren Versionen. Für mich war das die beste Version von ‘Nuages’ die er jemals aufgenommen hat. Er zitierte fortwährend Parker und Dizzy. Und in bestimmten schnellen Tempi spielte er mit ‘abgerissenen’ Phrasen in einer Art und Weise, wie es
    genau der Bebop-Praxis entsprach. Übrigens gibt es das auch schon in seinen Einspielungen von 1951. Aber diese Platte für Blue Star ... Wäre er nicht kurze Zeit später gestorben, diese Platte hätte den Wendepunkt seines Lebens markiert.“

    Wieder daheim, in Samois, am 15.Mai 1953, angelt Django erst, sitzt dann mit Freunden in einem Café und unterhält sich angeregt, als ihn eine Gehirnblutung niederstreckt. Alle Hilfe im Krankenhaus kommt zu spät. Er stirbt tags darauf, am 16. Mai, im Alter von nur 43 Jahren (siehe auch Django - private Life).
    Er hinterläßt eine fast unüberschaubare Menge von Einspielungen (ca. 600) und eine unglaubliche Anzahl an Eigenkompositionen. Hier sollen nun auch seine Verdienste um die Entwicklung des Jazz-Gitarrenspiels angeführt werden, die von Jürgen Schwab in seinem Aufsatz ‘Die Jazzgitarre und ihre spezifischen Ausdrucksmittel bei Django Reinhardt’ zusammenfassend dargestellt wurden:
    „Er leitet das erste Jazzensemble, in dem die Gitarre als durchgehend gleichberechtigtes und meist sogar dominierendes Melodieinstrument eingesetzt wird. Durch weitausgreifende Dynamik und lebendige Artikulation erreicht er eine Differenziertheit des Ausdrucks auf der akustischen Gitarre, die sich mit Bläsern messen kann.

    Sein Improvisationsvermögen und seine Virtuosität stellen alles in den Schatten, was man Jazzgitarristen bis dahin zutrauen konnte, und werden bis heute nur von wenigen erreicht.
    Harmonisch ist er nicht nur auf der Höhe seiner Zeit, sondern ihr in Teilen sogar voraus. Gewisse Arpeggien und chromatische Durchgänge spielen später bei Charlie Christian eine große Rolle, und die von ihm häufig verwendeten ‘approach-note’ Figuren tauchen im Bebop wieder auf. django4 Die Bildung langer Phrasen, vorzugsweise aus Achtelketten, ist ein weiteres zukunftsweisendes Merkmal von Django Reinhardts Stil und findet sich ebenso bei Charly Christian und im Bebop wieder.
    Zahlreiche spieltechnische Neuerungen gehen durch ihn in das Vokabular der Jazzgitarre ein: Oktavdoppelgriffe, ‘false-fingering’-Effekt mit Unisono auf benachbarten Saiten, Akkord- und Einzeltremoli, ‘sweep-picking’ für schnellste Arpeggien, künstliche Flageoletts, Nutzen der Leersaite als Pedal abwechselnd mit gegriffenen Tönen.
    Mit Vorliebe kombiniert er ‘off-beat’-Akzente und komplexe Akzentüberlagerungen mit Oktav- oder Sextdoppelgriffen oder dem Spiel auf einer Saite. Diese Elemente finden sich später u.a. bei Country- und Rockgitarristen.“

    Die weitere Entwicklung dieser Musik nach dem Tod Django Reinhardts ist interessanterweise vornehmlich unter den Zigeunern Westeuropas zu finden. Bis auf einige Ausnahmen, wie z.B. in England Ivor Mairants, Diz Disley und Ike Isaacs, ist die Musik zu einer zigeunereigenen ‘Folklore’ (gemeint ist eine neue traditionelle Zigeunermusik) geworden. Michel-Claude Jalard schreibt darüber in seinem Aufsatz ‘Django et l’école tsigane du Jazz’: „L’univers musical de Django est pour eux“ (gemeint sind die Zigeuner) „un langage commun parce qu’en plus de son art, et à travers lui, ils retrouvent tout un lyrisme instrumental qui renvoie à leur sensibilité
    propre. Ce ‘supplément ethnique’, si l’on peut dire, fait que Django est non seulement le maître d’une conception de la guitare - au même titre que Charlie Christian en somme - mais vraiment le chef d’une école tsigane de jazz.“
    Django Reinhardt gilt aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit für die Zigeuner den Begründer einer neuen Schule, nämlich der des Zigeuner-Jazz. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die weitere Entwicklung, bzw. auch die traditionelle Bewahrung seines Personal-
    Stils hauptsächlich von Zigeunermusikern betrieben wird. […]

    […]
    08 Dorado Schmitt and Angelo DeBarreIm Gegensatz Deutschland, wo die Geige im Zigeuner-Jazz eine große Tradition aufweist, gibt es in Frankreich keine einzige Formation mit einem namhaften Geigensolisten. Die Zigeunermusiker Frankreichs sind dagegen eher gitarrenfixiert und somit der Tradition Django Reinhardts, sowie modernerer Jazzstilistiken verbunden.
    Typische Merkmale des Repertoires deutscher Zigeuner, insbesondere die osteoropäische Folklore, sind in Frankreich nicht zu entdecken.[…]

    […]
    Im Gegensatz zu Deutschland kann man bei den französischen Zigeuner-Musikern eher von einem Bewußtsein ihrer Kultur reden. Auch wenn Aufnahmen belegen, daß auch heute noch in der Django-Reinhardt-Tradition gespielt wird, so ist jedoch insgesamt eine Weiterentwicklung parallel zum Jazz erkennbar.
    Der Umgang mit den Traditionen ist durch eine Verarbeitung von zeitgenössischen Jazz-Strömungen gekennzeichnet.

    Man spielt das Django-Reinhardt-Repertoire und seine Kompositionen in einem modernen Kontext, was man z.B. bei den Aufnahmen Christiam Escoudés (‘Gipsy Walz’, ‘Christian Escoudé With Strings Plays Django Reinhardt’) oder Bireli Lagrenes (‘My Favorite Django’) hören kann. Somit kann hier nicht mehr von einem Zigeuner-Jazz in der traditionellen Stilistik gesprochen werden, sondern von Jazz der von Zigeunermusikern gespielt wird und sich aus den Strukturen des QdHCDF in Verbindung mit der Jazz-Entwicklung herausgebildet hat. […]

    […]zigeuner
    Anhand der eher wenigen wichtigen Zigeunermusiker aus diesen Ländern ist es nur schwer möglich, eine zusammenfassende Aussage über die dortigen Entwicklungen zu treffen.

    Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich in Belgien und den Niederlanden eine große Gruppe von Manouche/Sinti niedergelassen hat, die sich sehr traditionell an dem Stil Django Reinhardts orientiert.

    Stochelo Rosenberg, sowie auch Fapy Lafertin stammen aus Familien mit einer langen musikalischen Tradition, die über die Generationen weitergegeben und bewahrt wurde.

    So könnte man daraus schließen, daß auch hier eher die traditionellen Strömungen vorherrschen und am Erbe Django Reinhardts festgehalten wird.[…]

    […]
    Es ist durch die bisherigen Betrachtungen zu erkennen, daß sich der Begriff des Zigeunerjazz geschichtlich an eine Person binden läßt. Als Django Reinhardt 1934 das QdHCDF gründete, begann eine musikalische Entwicklung, die bis heute anhält.

    Django Reinhardt entwickelte im Lauf Jahre, auf der Basis seiner Erfahrungen in der Zigeunerfolklore und der Bals Musette, in Verbindung mit dem Jazz der 30er und 40er Jahre, eine eigene Stilistik, bzw. einen Personalstil, der vor allem aus ethnischen Gründen in den weiteren Generationen hauptsächlich von Zigeunermusikern übernommen wurde. Damit wurde eine neue musikalische Tradition in der Zigeuner-Musik geschaffen. Auch bedingt durch den zweiten Weltkrieg lassen sich mehrere Strömungen dieser neuen Stilistik erkennen.

    In Frankreich, einem Land, in dem nach Kriegsende die Aktivitäten der Zigeunermusiker weiter uneingeschränkt möglich waren, läßt sich eine Entwicklung parallel der, des zeitgenössischen Jazz, erkennen.

    Trotz des Aufwachsens in der Django-Reinhardt-Tradition findet sich deren Pflege hauptsächlich nur noch im Repertoire wieder, das jedoch interpretatorisch der heutigen Zeit angepaßt wird (z.B. Bireli Lagrene oder Christian Escoudé). Eine andere Entwicklung dieser Art ist sowohl in Frankreich, als auch in allen anderen Ländern erkennbar. HCDF_1940Es wird versucht, innerhalb der durch das QdHCDF vorgegebenen Strukturen, eine Neuerung zu erzielen.

    Man nähert sich einerseits mit den Improvisations-Strukturen dem modernen Jazz an und hält andererseits an den traditionellen Strukturen der Rhythmusgruppe und der Instrumentierung fest (z.B. Martin Weiss). Die dritte Strömung bildet die, die eigentlich das Idiom Zigeuner-Jazz repräsentiert.

    Vor allem in Deutschland, aber auch in den Niederlanden und Belgien, halten die Zigeunermusiker an dem musikalischem Erbe Django Reinhardts fest. Dies zeigt sich zum einen an dem Beharren auf Instrumentations-Strukturen des QdHCDF, sowie auf dem Repertoire (auch neue Repertoire-Erweiterungen werden dem Swing-Idiom angepaßt) und auf der Interpretationweise und zum anderen an der Pflege und Beibehaltung des Personalstils Django Reinhardts.

    Die wichtigsten Repräsentanten dieser Strömung sind z.B. Schnuckenack Reinhardt, The Rosenberg Trio, Titi Winterstein. Man kann bei den Musikern dieser Richtung von einer neuen Schule sprechen, nämlich der von Michel-Claude Jalard bezeichneten ‘l’école tsigane du Jazz’ oder auch der "Schule des Zigeuner-Jazz".

    Das heißt: Zigeuner-Jazz ist das traditionelle Bewahren des Erbes von Django Reinhardts und des QdHCDF. Die von ihnen vorgegebenen Strukturen, vornehmlich die Personal-Stilistik Django Reinhardts, bilden die Dogmen, bzw. Basis, für eine neue musikalische Stilistik, die man der allgemeinen Zigeuner-Musik zuordnen kann, und die, unabhängig von den weltweiten musikalischen Entwicklungen, hauptsächlich durch die ethnische Gruppe der Zigeuner, insbesondere in Deutschland, den Niederlanden und Belgien, traditionsbewußt weitergeführt und bewahrt wird.[…]

    […]
    Nach der stilistischen Analyse Django Reinhardts muß nun erarbeitet werden, in wie weit man die stilistischen Elemente in seinem Spiel allgemein übertragen kann. Sein Einfluß auf die heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen (vornehmlich Zigeuner-Musiker) läßt sich nicht von der Hand weisen und ergibt sich schon allein aus den soziologischen Zusammenhängen der Zigeuner: "Traditionspflege wird bei den Rom großgeschrieben. am_arpeggio
    Die hohe Musikalität unter ihnen erklärt sich nicht zuletzt auch durch die jahrhundertalte Tradition des Musikerberufes, der oft über Generationen hinweg weiter vermittelt wird.

    Die Lebendigkeit der musikalischen Tradition im alltäglichen Leben der Rom, die schon im frühen Kindesalter erfolgende Begegnungen mit Instrument und Musik durch den selbst musizierenden Vater, ist regelmäßig der Grundstein, mit dem brilliante technische Fertigkeit und nicht selten auch musikkreatives Potential fortgesetzt wird."

    Es wird somit das musikalische Erbe an die nächsten Generationen weitergegeben (siehe auch Buch "Gypsyjazz Guitar"). Für den Zigeunerjazz bedeutet dies, daß die jungen Gitarristen von der Familie lernen und somit in die Stilistik hinein wachsen. Der Personalstil Django Reinhardts stellt für sie eine musikalische Wurzel dar und wird traditionell weitergegeben. Man kann dies sehr gut am Beispiel von Stochelo Rosenberg (The Rosenberg Trio) erkennen, der auf seinen frühen Aufnahmen neben eigenen Chorussen Django Reinhardt Chorusse Note für Note übernimmt.[…]

    […]
    Nachdem nun viele analytische Aspekte aufgezeigt wurden, soll nun eine zusammenfassende Darstellung der Improvisationsstilistik der heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen angeführt werden. Aus den Chorus-Analysen ergibt sich eine große Menge stilprägender Elemente:

    • Rhythmische Aspekte: Ein durch lange Achtel-, sowie Achtel-Triolen-Ketten erzeugtes sehr lineares Spiel.
    Die Verwendung von polyrhythmischen, sowie synkopierten Figuren.
    • Melodiebildung: Vornehmlich aus Arpeggien, aber auch aus harmonisch-Moll-, und Dur-Tonleitern, sowie die Verwendung der chromatischen Tonleiter oder von ‘chromatic-approach’-Figuren.
    • Harmonische Strukturen: sehr akkordbezogenes Spiel. Die Harmonien werden durch zieltöniges Anspielen der Akkordtöne bestätigt. Trotzdem aber auch Akkordantizipationen, Sequenzen mit verminderten Akkorden, sowie das Umdeuten der Dominante zu einem unvollständigen Dominant-Sept-Nonen-Akkord. Die Verwendung von ‘approach’-Figuren in allen Varianten, und die daraus resultierenden chromatischen Durchgänge zwischen Grundton und der b7, sowie 6, aufwärts als auch abwärts. Akkordeinwürfe, sowie ‘Chord-Melodie’, die streng an der Grundharmonie orientiert sind.
    • Techniken und Effekte: Einsatz von Oktaven als Effekt und als melodisches Element; Tremoli in Verbindung mit Akkord-Einwürfen; ‘Sweep picking’, das sich aus der Bevorzugung von Abschlägen ergibt; Ein diagonal angelegtes Spiel. Ein insgesamt sehr virtuos angelegtes Spiel.
    • Artikulation: harte Abschläge, Stakkato, Vibrato, Halbton-bendings, Sechzehntel-Vorhalte, Verzierung durch Triller, entweder als Achteltriole ausgeführt, oder als schneller Triller innerhalb von Achtelketten. […]

    […]
    Anhand der stilistischen Analysen von Django Reinhardt und den heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen kann man unschwer erkennen, daß es sich bei den Improvisations-Strukturen um eine Art ‘Schule’ basierend auf Django Reinhardt handelt, die auch in verschiedenen Aufsätzen als solche bezeichnet wird.

    • Der charakteristische Gebrauch von Vibrato, Tremolo und Verzierungen (z.B. Vielzahl von Trillern)
    • Der harte, durch den hauptsächlichen Gebrauch von Abschlägen erzeugte, Anschlag (starkes attack), in Verbindung mit schnellen, kaum endenden, langen Läufen.
    • Sequenzen, sowie polyrhythmische und synkopierte Figuren, die auch harmonisch zu abrupten Tonartwechsel, bzw. zu Akkord-Antizipationen, führen können.
    • Ein starker Gebrauch von verminderten Arpeggien, unter anderen als Umdeutung von unvollständigen Dominantseptnonen-Akkorden.
    • Hauptsächlich aus Arpeggien gebildete Melodien, welche sehr akkordgebunden fungieren und somit wenig Tonleiter orientiert sind. Ansonsten auch die Verwendung von hauptsächlich harmonisch-Moll-, sowie chromatischer Tonleitern.
    • Ein merklich undurchbrochenes, sehr virtuos angelegtes Spiel, das meist durch Achtelketten mit Achteltriolen-Einwürfen bestimmt ist, die jedoch den formalen Verlauf des Chorus einhalten, d.h. Formgrenzen werden eingehalten und die Läufe werden logisch zu Ende geführt (2-, 4-, 8-, 12-, etc. taktige Phrasen).

    Diese Merkmale zeigen nun die im Endeffekt stilbestimmenden Elemente des Zigeuner-Jazz. Es sind die, welche vornehmlich in der Django-Rheinhardt-Schule verblieben und diese somit definieren. Die restlichen in den Analysen vorgetragenen Punkte sind Genre übergreifend, jedoch ebenso für die Stilistik bindend (siehe auch Buch "Gypsyjazz Guitar").

    Es zeigt sich also eine Trennung zwischen dem, was in der weiteren Musikentwicklung Verwendung fand und dem, was ausschließlich in der Stilistik verblieb und somit eine Definition erlaubt. Es ist auf jeden Fall ersichtlich, daß es sich bei Zigeuner-Jazz um eine Stilistik in der Tradition Django Reinhardts handelt, die als musikalisch abgeschlossener Komplex behandelt werden kann, da sie allein durch die Person Django Reinhardts definiert ist.[…]

    (Quelle: Diplomarbeit – „Die Gitarre im Zigeuner-Jazz“ von Ernst Wilhelm Holl)

    Nachwort


    So viel zu den Auszügen aus dem Text der Diplomarbeit von Ernst Wilhelm Holl.

    Es bleibt festzuhalten, dass viele der hier gemachten Aussagen geschichtlich fundiert recherchiert wurden. Aufgrund der Komplexität des Themas allerdings sind sicherlich formal hier und da kleinere Schwächen in der Arbeit zu entdecken, insbesondere im Hinblick auf die Rolle und den Einfluss Django Reinhardts auf die Jazz-Musik und die Rolle des Gitarrespiels insgesamt. Dieses ist leider an einigen Stellen in der Darstellung etwas zu kurz gekommen, wie ich finde.

    Auch kritisch angemerkt werden muss die häufige Verwendung der Worte „Neger“ und/oder „Zigeuner“ – dies muss doch kritisch hinterfragt werden, denn es gilt (zumindest heutzutage) „politisch korrekt“ formuliert, als eher unpassend.
    Das Einfügen der Worte Sinti-Jazz, Jazz-Manouche und / oder Sinti generell hätte hier zu mehr Distanzierung zu dem leider in der Wahrnehmung vieler oft etwas verzerrten Bild der Sinti-Musiker geführt.

    Dennoch kann, mit entsprechendem Feingefühl gelesen, doch einiges Interessantes aus dem Text gelernt werden. Und vielleicht hilft dies ja auch dem einen oder anderen wiederum zu einem besseren Verständnis dieser wunderbaren Musik und ihrer Musiker.
    Dies zumindest wäre unser Wunsch, weshalb wir hier diesen Text trotzdem auch unverändert in Original-Form in Auszügen  veröffentlichen.

    Nachwort: Bertino Rodmann


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